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06
Juni 13
Edouard Louis Joseph Baron Merckx


Es ist doch schon eigenartig was einen in der Kindheit und in der Jugend beeinflusst, und prägt. Einiges für lange Zeit, manches sogar für's Leben. Und ich, der unsportliche, unbeliebte, schwer zu motivierende, nichts an sich ranlassende Junge der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, hat einen Namen nie vergessen: Eddy Merckx.

Habe ich „Die Tour“ im TV geguckt? Nicht das ich wüsste. Habe ich seine Rennen, die Sprints, wie er sich vom Feld absetzt, wie er die Führung verteidigt, am Berg, über Kopfsteinplaster oder seine grandiosen Zieleinläufe auf dem direkt am Haus angrenzenden Schulhof nachgespielt? Nie. Ich gurkte dumm und ziellos rum mit meinem Kinderrad, war sauer weil mein Bruder einen Rosenbusch anstelle der Rücktrittbremse verwendete um seine erste Fahrt auf einem Rad im Allgemeinem, und meinem Rad im Speziellen zu beenden. Klar war ich mehr daran interessiert wie es meinem Rad nach diesem total dämlichen und vollkommen unnötigen Stunt ging, und nicht welche Verletzungen mein Bruder davon getragen hatte. Und dann die Erkenntnis: Die Reifen sind platt. Die Dornen haben den Mantel durchdrungen und den Schlauch perforiert! Und keine Aussicht auf Neue! Das auch die Knie, Beine, Arme, die Hände und auch teile des Gesicht meines Bruders von den Dornen ebenfalls perforiert waren habe ich nicht mal bemerkt. Sein Geschrei war nichts gegen mein Geschrei über das ruinierte Rad. Mein Rad!

Und das war es auch schon. Vielleicht das noch: Ich habe meine Mutter in den Wahnsinn getrieben weil ich mit meinem Rad zum Einkaufen mitwollte, und die Bevölkerung um 1970 mit den Wünschen kleiner Kinder noch nix anfangen konnte. Rücksicht waren die Blagen damals nicht gewohnt, und sie sollten nach der MEinung der damals Erwachsenen auch keine Gelegenheit dazu bekommen. Und so wurde meine Mutter dafür angefeindet das ich mit dem Lenken und dem Bremsen nicht in dem Maße klar kam wie es die peinlich flanierende kleinbürgerliche Provenienz in der damals hochmoderne und brandneue Fußgängerzone in Opladen sich gewünscht hätte. Ich war lästig, manche behaupten gefährlich. Immerhin, ich habe keine Prügel bezogen. In diesen Jahren freute man sich als Junge über so was.

Echt jetzt, ich habe keine Ahnung warum mir Eddy Merckx im Gedächtnis blieb. Ich bin ein Schlaffi gewesen (das war damals die Vorstufe zum Gammler, später Hippie), und übermäßiger Bewegungsdrang ist mir heute noch suspekt. Aber Rennräder faszinierten mich. Schmale Reifen, der spezielle Lenker, eine Fantastillionen Gänge (vorne und hinten!). Und die Anarchie schlechthin: Keine Schutzbleche! Ein Rendrad mit Schutzblechen oder gar Dynamo und Licht war wie eine lila Punkerlederjacke aus dem Karstadt.

Naja, aus diesem unbestimmten Gefühl heraus habe ich als Erwachsener dann ein (ehemals) weißes Peugeot-Rennrad aus einem Hühnerstall „gerettet“, wo es mindestens 10 Jahre Sommer wie Winter vor sich hin gammelte. Davor war es etwa die gleiche Zeit in einem Keller gewesen, was man ihm auch ansah. Überhaupt, es hatte schon deutlich bessere Zeiten gesehen, wenn die auch schon wirklich lange her waren.

Es hat einen Stahlrahmen, Rahmenschaltung mit zwei Hebeln, eine sehr gedrungene Geometrie und sah aus wie ein Rad mit dem man die Avenue des Champs-Élysées in Richtung Arc de Triomphe du Carrousel ganz geschmeidig mit sanft schwingender Beinarbeit entgegenradelt, in der schieren Gewissheit es dem breiten Feld von Ausflugsradlern weit hinter sich mal gehörig gezeigt zu haben. Bei strahlendem Sonnenschein natürlich. Danach eine kleine Champagnerdusche, das immerhin erkleckerliche Preisgeld süffisant in die Mannschaftskasse geschubst, das inzwischen leicht müffelnde gelbe Trickot zum ersten mal in diesen drei Juliwochen ausgezogen, und dann mal schauen, was die Pariser Damenwelt dieses Jahr … egal. So ein Rad war das. Für mich jedenfalls. Es kostete mich einige Überredung den Schrotthaufen, denn das ist es bei nüchterner Betrachtung, ins Auto laden zu dürfen und nach Hause zu bringen. Wo es dann weitere 8 Jahre in meinem Keller nicht fuhr.

Aber das hat jetzt ein Ende. Ich habe ein Angebot bekommen, das ich nicht ablehnen kann. Und nun soll es los gehen. Und dann will ich damit fahren. Ich werde röcheln wie ein asthmatischer Esel, werde mich von alten Leuten bergauf überholen lassen, während die sich angeregt unterhalten und sich auch sonst die dreiviertelmillion Prozent Steigung, die sich seit gefühlt 20 Kilometer vor mir auftürmt, nicht anmerken lassen. Und ich werde das auf dem Rad tun, mit dem Edouard Louis Joseph Baron Merckx 1969 die Tour gewann.

Jedenfalls wird es so aussehen …

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PS: Bilder vom aktuelle Ist-Zustand gibt es in den Kommentaren.

 
 
23
Mai 13
Ein Tag im Büro …

 
 
Und denke nicht an morgen …


Bin ich der Einzige der anstatt „Hangover“ oft „Hannover“ liest, und sich dann fragt wie denn das —bitteschön— zusammenpassen soll …

 
 
21
Mai 13
„Erst auf deutsch merkt man, wie scheiße das Original ist.“ *
Amerika! Was kann schon gutes aus Amerika kommen? Irgendwann in meiner Jugend realisierte ich, dass die verückten Dinge um mich herum üblicherweise ein halbes Jahr vorher in Amerika Mode waren. Dabei ist es unerheblich, das der WalkMan™ tatsächlich aus Japan kommt, einem Land das früher ob seiner Innovationsmacht gefürchtet war, jetzt aber irgendwie nicht mehr.

Skateboards kamen aus Amerika. Mountain-Bikes. Und auch die Bonanza-Räder, die mussten sicherlich auch aus Amerika kommen. Kamen sie dann auch, obwohl sie für mich eher so italienisch aussahen. Und ob Burger King besser schmeckt als McDonalds ist unerhbelich, beides kommt aus Amerika. Meine ganze Jugend kam aus Amerika, wurde sozusagen von dort importiert.

Mit der Zeit nabelt man sich von seinen jugendlichen Geschmacksverirrungen ab. Irgendwann kommt auch der Zeitpunkt, das einem Filme die nicht im typischen Hollywood-Style daherkommen nicht total befremdlich vorkommen. Und irgendwann kommt der Moment wo einem Hollywood-Filme suspekt werden. Die amerikanische Vorstellung davon wie in Filmen und in der Politik Probleme gelöst werden nähern sich immer mehr an.

Und dann kam ein ganz schrecklicher Moment. Mir wurde klar, das die meisten Schusswaffen pro Kopf in dem Teil der USA zu finden waren, der „Bible-Belt“ genannt wurde. Das war der Moment wo meine Symphatie zu den Amerikanern, die über die Zeit von Bewunderung über Gleichgültigkeit wechselte, in Unbehagen kippte. In diesem Bible-Belt leben stolze Christen. Die oberste christliche Direktive aber ist „Liebe deinen Nächsten, bete für die, die dich verfolgen.“ Wozu also die gigantische Menge an Schusswaffen?

Und wenn man ein mal auf der Schiene der Ablehnung ist, dann ist es leicht weitere Gründe zu finden die Amerikaner nicht zu mögen. Sie kommen z. B. mindestens überheblich, wenn nicht gar arrogant rüber. Ich habe mich lange gefragt, woher diese Überheblichkeit gegenüber anderen Ländern kommt, und fand einen Grund: Amerikaner (US-Amerikaner, um genau zu sein), haben keine Nachbarn. Im Norden gibt es nur die Kanadier, die sie verachten. Und im Süden die Mexikaner, die sie noch viel mehr verachten. Mir scheint, gerade unsere europäische Ländervielfalt, mit der notwendigen Diplomatie unter Nachbarn ist es, die uns in den letzten 60 Jahren klar gemacht hat, das wir nur zusammen was werden.

Dabei kenne ich einige Amerikaner persönlich. Nette Menschen, zuvorkommende Menschen, freundlich und hilfsbereit. Aber immer in der Gewissheit das Vorbild für alle anderen zu sein. Und da kommt auf ein mal einer daher, und merkt, dass Amerika nicht das ist, was es sich wünscht zu sein:

"My generation is the first generation of Americans who will be worse off than their parents, economically, physically and emotionally. And this is not due to a lack of resources, to a lack of education or to a lack of ingenuity. It’s corruption and complacency. The corruption from the massive industries that control our government’s policies, and the fat complacency of the people to sit around and let it happen."

Geben wir es zu: Amerika war schon immer so. Sicher, das Bild das Marcus Manson von seiner Heimat malt benutzt nur wenige Farben. Es wird nicht allen gerecht. Aber das Bild ist trotz der wenigen Farben sehr deutlich. Und ein Motiv blitzt überall in seinem Artikel auf: Fast grenzenlose Selbstüberschätzung …

"America, the Beautiful"

O beautiful for spacious skies,
For amber waves of grain,
For purple mountain majesties
Above the fruitive plain!
America! America!
God shed His grace on Thee
And crown Thy good with brotherhood
From sea to shining sea.

Wie wunderschön die Himmel weit,
Gelb wogt Korn kolossal;
Die Bergwelt trägt ihr lila Kleid,
Und drunten sprießt's im Tal!
Amerika! Amerika!
Gott sei Dir zugetan;
Krön' Deine Kraft mit Brüderschaft
Von O- zu Ozean.


Deutsch von Harry Rowohlt

___________________

*Bill Ramsey über Harry Rowohlts Übersetzung von "America, the Beautiful"

 
 
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Last update: 2014.07.09, 12:52
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